Tierarzt Dr. Klaus Küssel – der Arzt, dem die Tiere vertrauen – Folge 9

„Klaus, ich bin schwanger.“ Die Gräfin sah Dr. Küssel erwartungsvoll an, der sich noch immer den Kopf darüber zerbrach, wie er sie nach ihrem Vornamen fragen sollte. Er beschloss, zum Frontalangriff überzugehen. „Wie ist eigentlich dein Vorname?“ Sie war verblüfft. „Klaus, setz dich bitte.“ Sie drückte ihn in den nächsten Sessel und setzte sich ihm gegenüber. Sie nahm seine rechte Hand zwischen ihre beiden Hände und drückte sie. „Mein Vorname ist Konstanze und ich bin die Mutter deines Kindes, das in etwa siebeneinhalb Monaten auf die Welt kommen wird.“ „Konstanze. Ein schöner Name.“ Er sah versonnen vor sich hin. Die Gräfin fragte sich, wie lange es noch dauern würde, bis er begriff, was sie gesagt hatte. „Wieso bist du schwanger?“ Er lächelte ein bisschen. „Wieso ich schwanger bin? Erinnerst du dich nicht an die Nacht auf der Blumenwiese?“ „Sicher tue ich das.“ „Irgend etwas muss mit der Pille nicht funktioniert haben.“ „Du nimmst die Pille?“ „Aber natürlich. Das ist am sichersten und schließlich weiß man nie im Voraus, wann sich eine Gelegenheit bietet.“ Sie strich sich übers Haar und ließ Anzeichen von Ungeduld erkennen. Sie ließ Dr. Küssels Hand los und lehnte sich zurück. Sie wurde blass. „Ach, jetzt wird mir schon wieder schlecht. Entschuldige mich bitte einen Moment.“ Mit einem Ruck stand sie auf, presste die Hand auf den Mund und stürzte hinaus.

Als sie zurückkam, stand Dr. Küssel am Fenster und sah hinaus. Sie ließ sich erschöpft in den Sessel fallen. „Mir ist so unglaublich oft schlecht. Ich weiß wirklich nicht, was das für ein Kind wird. Ich kann praktisch nur noch Lindenblütentee trinken. Das ist das Einzige, was ich ohne Probleme bei mir behalten kann.“ Der Tierarzt drehte sich um. „Möchtest du heiraten?“ „Aber nein, wie kommst Du nur darauf?“ Sie dachte einen Moment nach. „Ich habe zwar kein Kind geplant, aber nun werde ich es behalten. So brauche ich mir wenigstens keine Sorgen zu machen, wem ich mein ganzes Geld vererben soll.“ Sie erhob sich und trat zu Dr. Küssel. „Du wirst praktisch nichts mit dem Kind zu tun haben. Natürlich kannst du es hin und wieder sehen. Oder vielleicht lasse ich auch niemand wissen, wer der Vater ist. Das muss ich mir noch überlegen.“ Nun war sie wieder die perfekte Verführerin. „Möchtest du noch mal zum Essen kommen? Es hat mir gut gefallen letztes Mal.“ „Gerne, jetzt kann ja nicht mehr viel passieren. Wann passt es Dir?“ „Morgen Abend um acht?“ „Ausgezeichnet.“

Er begleitete sie zu ihrem Auto. „Bis morgen dann.“ Sie küsste ihn wieder auf die Wange. Dr. Küssel öffnete den Mund, um sich ebenfalls zu verabschieden, aber die Worte blieben ihm im Hals stecken. Sein Blick war auf eine junge Frau gefallen, die an ihnen vorüberradelte. Sein Unterkiefer klappte herunter und er verfolgte sie mit seinen leuchtend blauen Augen. Die Gräfin bemerkte es und drehte sich um. Die junge Frau war schon lange verschwunden und der Tierarzt stand noch immer mit offenem Mund da und starrte auf die Hauswand, die sie seinen Blicken geraubt hatte. „Was ist los?“, fragte die Gräfin etwas ärgerlich. „Wer… wer war das?“, stammelte er. „Ich habe sie noch nie zuvor gesehen.“ „Ich weiß es auch nicht. Vielleicht ist sie neu zugezogen. Ich muss jetzt fahren.“ Damit stieg sie in ihren Porsche und fuhr davon, den betäubten Dr. Küssel stehen lassend.

Als er sich wieder gefasst hatte, ging er langsam in die Praxis zurück. Das war sie. Er wusste es. Die Frau, die das Schicksal für ihn ausersehen hatte. Seine Prinzessin, seine Traumfrau, die den Schlüssel zu seinem Herzen trug. Die Frau, auf die er sein Leben lang gewartet hatte, ohne die er nie wirklich vollkommen sein konnte. „Herr Doktor, wir sollten langsam mit der Sprechstunde beginnen.“ Die scharfe Stimme Frau Häberles drang in seine Gedanken. Er nickte abwesend und schlüpfte in seinen Kittel. Aber er war nicht bei der Sache. Er brauchte doppelt so lange für die Behandlungen wie sonst. Spät am Abend verabschiedete er endlich den letzten Patienten, das Meerschweinchen von Erich Huber. „Ich verstehe nicht, warum die Hubers dieses Meerschwein nicht einschläfern lassen. Es kostet sie ein Vermögen.“, bemerkte Frau Häberle und machte sich daran, die Geräte zu reinigen. Dr. Küssel hörte sie nicht, denn er war bereits in seinem Büro verschwunden und dachte an die junge Frau auf dem Fahrrad. Wie sollte er nur herausfinden, wer sie war? Schließlich seufzte er und beschloss, nach Hause zu gehen. Frau Häberle hatte die Praxis bereits verlassen. Er sah noch einmal in alle Räume, betrachtete sich im Spiegel und lächelte sich zu. Dann öffnete er die Tür, um hinauszugehen. Sein Herzschlag stockte einen Moment, als er bemerkte, dass jemand unmittelbar vor ihm stand und offensichtlich auf ihn gewartet hatte.

© Simone Ehrhardt